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    <title>pt21.html</title></head><body><div class="part WordXML" id="pt21"><div class="chapter"><h1 class="ueberschrift1" id="id0000040">Der Fall Wendelin Witschi zum letztenmal</h1><div class="section"><p class="TkOhne">Ein tr&#0252;bes Begr&#0228;bnis. Nat&#0252;rlich regnete es wieder. Im L&#0228;ttboden des Friedhofs f&#0252;llten sich die Fu&#0223;stapfen, kaum da&#0223; man den Schuh aus der z&#0228;hen Erde gezogen hatte, mit gelbem Wasser. Wendelin Witschis Grab war nur von zehn Regenschirmen umstanden, und die Tropfen, die auf die zehn gespannten schwarzen T&#0252;cher fielen, trommelten einen leisen, traurigen Wirbel.</p><p class="standard">Der Pfarrer machte es kurz. Sonja schluchzte. Frau Witschi stand aufrecht neben ihrer Tochter. Sie weinte nicht. Armin war nicht gekommen. Nach dem Pfarrer sprach der Gemeindepr&#0228;sident Aeschbacher ein paar Worte. Sie machten ihm sichtlich M&#0252;he.</p><p class="standard">Studer stand neben Dr. Neuenschwander und war froh, da&#0223; er sich auf den Arm des Arztes st&#0252;tzen konnte. Aber als nun alle langsam auf das Friedhofstor zuschritten, machte sich Studer von seinem Begleiter los, holte den Gemeindepr&#0228;sidenten ein und sagte:</p><p class="standard">&#0187;Herr Gemeindepr&#0228;sident, ich sollt&#8217; mit Euch reden.&#0171;</p><p class="standard">&#0187;Mit mir, Wachtmeister?&#0171;</p><p class="standard">&#0187;Ja&#0171;, sagte Studer.</p><p class="standard">&#0187;So kommt!&#0171;</p><p class="standard">Aeschbachers Auto stand auf der Stra&#0223;e. Der Gemeindepr&#0228;sident &#0246;ffnete den Schlag, zw&#0228;ngte sich auf den Sitz vor das Steuerrad, winkte Studer. Der Wachtmeister stieg ein. Er sch&#0252;ttelte dem Arzte zum Abschied die Hand, dann schlug er selbst den Schlag zu.</p><p class="standard">Es war wenig Platz vorhanden, denn beide waren sie nicht gerade mager. Aeschbacher dr&#0252;ckte auf den Anlasser. Studer starrte auf die Tasche, die am Wagenschlag angebracht war.</p><p class="standard">Aeschbacher schwieg. Das Auto kehrte, fuhr ins Dorf zur&#0252;ck, fuhr vorbei an den vielen, vielen Ladenschildern. Gerzenstein, das Dorf der L&#0228;den und Lautsprecher! &#8210; Wann hatte Studer das Dorf so genannt? War das lange her? Am Samstag. Und heute war Dienstag. Zwei Tage nur lagen dazwischen!</p><p class="standard">Die Lautsprecher waren nicht zu h&#0246;ren. Entweder war es noch zu fr&#0252;h, oder der L&#0228;rm des Autos &#0252;bert&#0246;nte ihre Musik, ihre Reden.</p><p class="standard">Das Dorf Gerzenstein! Ein Dorf? Wo waren die Bauern in diesem Dorfe? Man sah nichts von ihnen. Sie wohnten wohl hinter der Fassade der L&#0228;den, irgendwo, in den Hintergr&#0252;nden.</p><p class="standard">Aeschbacher schnaufte. Den Mann mu&#0223;te viel bedr&#0252;cken.</p><p class="standard">Und w&#0228;hrend der Wagen in die Bahnhofstra&#0223;e einbog, auf dem kleinen St&#0252;ck Weges, der von der Hauptstra&#0223;e bis zur Druckerei des &#0187;Gerzensteiner Anzeigers&#0171; f&#0252;hrte, erlebte Studer noch einmal den gestrigen Abend.</p><p class="standard">Der Cottereau, der sich endlich entschlossen hatte zu sprechen. Der Cottereau, der gesehen hatte, wie Aeschbacher den Browning in eine jener Taschen versorgt hatte, die an den T&#0252;ren der Autos angebracht sind. Cottereau erinnerte sich gut. Er war an jenem Abend spazierengegangen, an jenem Dienstagabend. &#0220;brigens hatte er alle Personen des Dramas gesehen, den Lehrer Schwomm, der mit einer Sch&#0252;lerin aus der dritten Sekundarschulklasse spazierengegangen war (darum das verd&#0228;chtige Schweigen des Lehrers!), den Wendelin Witschi, der von seinem &#8250;Zehnderli&#8249; abgestiegen und im Wald verschwunden war, er hatte Aeschbachers Auto wiedererkannt, er hatte den Gemeindepr&#0228;sidenten gesehen, wie er Witschi gefolgt war...</p><p class="standard">&#0187;Ich glaube, wir gehen zu mir in die Wohnung&#0171;, sagte Aeschbacher. Das Auto stand still vor einem eisernen Tor, dessen Spitzen vergoldet waren. Da war die Bogenlampe mit den steifen, roten Blumen um ihren Sockel, dort war der Bahnhof mit dem Kiosk, in dem sonst Anastasia Witschi Romane las, w&#0228;hrend sie auf Kunden wartete. Frau Anastasia Witschi, die mit dem Gemeindepr&#0228;sidenten verwandt war...</p><p class="standard">Und als sie damals erfahren hatte, da&#0223; ihr Mann tot war, was hatte sie da gesagt?</p><p class="standard">&#0187;Zweiundzwanzig Jahre!&#0171;</p><p class="standard">Und war im Zimmer hin- und hergelaufen.</p><p class="standard">&#0187;Wie Ihr wollt&#0171;, sagte Studer auf die Frage Aeschbachers, die eigentlich gar keine Frage, sondern eine Aufforderung gewesen war. Der Wachtmeister betrachtete den dicken Mann unauff&#0228;llig von der Seite.</p><p class="standard">Bureaux. M&#0228;dchen sa&#0223;en vor Schreibmaschinen und begannen wie wild auf die Tasten loszuh&#0228;mmern, als Aeschbacher in der T&#0252;r auftauchte.</p><p class="standard">&#0187;Guten Tag, Herr Direktor, gr&#0252;e&#0223;-ech, Herr Gemeindepr&#0228;sident...&#0171;</p><p class="standard">Ein alter Mann, fast ein Zwerg, trat Aeschbacher in den Weg. Er hielt Druckbogen in der Hand. Der Zeigefinger, mit dem er den Linien des Gedruckten folgte, w&#0228;hrend er eifrig auf Aeschbacher einsprach, hatte eine verkr&#0252;ppelte Spitze. Studer sah dies alles &#0252;berdeutlich. Dabei f&#0252;hlte er sich recht elend. Es war ihm, als best&#0252;nden seine Beine aus zusammengen&#0228;hten Flanellappen, und als seien sie mit S&#0228;gesp&#0228;nen gef&#0252;llt.</p><p class="standard">Auf die weitschweifigen Bemerkungen des wei&#0223;en Zwerges antwortete Aeschbacher nur zerstreut. Er dr&#0228;ngte vorw&#0228;rts, weiter, weiter. Den Hut hatte er abgenommen, die braune Locke klebte noch immer auf seiner Stirn.</p><p class="standard">Eine kleine T&#0252;re. Das Stiegenhaus. Im ersten Stock die Wohnungst&#0252;r. Neben der T&#0252;r ein Messingschild, darauf in schwarzen Buchstaben: <i class="quote">Aeschbacher. </i>Kein Vorname, kein Titel, nichts. Es pa&#0223;te zu dem Manne.</p><p class="standard">&#0187;Tretet ein, Wachtmeister&#0171;, sagte der Gemeindepr&#0228;sident. War nicht ein ganz leichter Sprung in Aeschbachers Stimme? Sie klang zwar noch immer wie die Stimme des Ansagers vom Radio Bern, aber etwas hatte sich an ihr ge&#0228;ndert. Oder, dachte Studer, bin ich auf einmal hellh&#0246;rig geworden? Das Fieber? &#8210;</p><p class="standard">Er stand im Gang der Wohnung. Die K&#0252;chent&#0252;re stand offen. Es roch nach Suurchabis und Speck. Studer wurde es &#0252;bel. Er hatte seit gestern Mittag keinen Bissen gegessen. Sein Magen hatte Generalstreik proklamiert. Mu&#0223;te man noch lange in diesem Gang stehen?</p><p class="standard">Aus der K&#0252;che trat eine Frau. Sie war klein und mager und ihre Haare waren wei&#0223; wie Flieder. Ja, wie Flieder. Sie hatte grave Augen, die sehr still blickten. Es war wohl nicht immer einfach die Frau des Gemeindepr&#0228;sidenten Aeschbacher zu sein.</p><p class="standard">&#0187;Meine Frau&#0171;, sagte Aeschbacher. Und: &#0187;Wachtmeister Studer.&#0171;</p><p class="standard">Ein leichtes Erstaunen in den grauen Augen. Dann wechselte der Ausdruck, wurde &#0228;ngstlich.</p><p class="standard">&#0187;Es ist doch nichts B&#0246;ses passiert?&#0171; fragte sie leise.</p><p class="standard">&#0187;Nein, nein&#0171;, sagte Aeschbacher beruhigend. Dabei legte er seine gro&#0223;e dicke Hand auf die schmale Schulter seiner Frau, und die Bewegung war so zart, da&#0223; es Studer pl&#0246;tzlich vorkam, als kenne er jetzt den Gemeindepr&#0228;sidenten viel besser als fr&#0252;her. Es war im Leben eben immer ganz anders, als man meinte. Ein Mensch war nicht nur ein brutaler Kerl, er konnte scheinbar auch anders ...</p><p class="standard">Ein gro&#0223;es Zimmer, wahrscheinlich als Rauchsalon gedacht. Ein paar Bilder an der Wand, Studer kannte sich in der Malerei nicht aus, aber die Bilder schienen ihm sch&#0246;n. Gro&#0223;e Reproduktionen, farbig, Sonnenblumen, eine s&#0252;dfranz&#0246;sische Landschaft, ein paar Radierungen. Die Tapete war grau, auf dem Boden lag ein wei&#0223;er Teppich, der mit einem schwarz-roten Muster durchsetzt war.</p><p class="standard">&#0187;Meine Frau hat das eingerichtet&#0171;, sagte Aeschbacher. &#0187;Sitzet ab, Wachtmeister. Was trinket Ihr?&#0171;</p><p class="standard">&#0187;Was Ihr wollt&#0171;, antwortete Studer, &#0187;nur nicht Hirnbeersirup oder Bier.&#0171;</p><p class="standard">&#0187;Kognak? Ja? Ihr seht nicht gut aus, Wachtmeister. Wo fehlt&#8217;s? Sollt Euch meine Frau einen Grog machen? Ich glaub Ihr trinkt Grog gerne?&#0171;</p><p class="standard">Eine unangenehme Situation. Warum war dieser Aeschbacher so h&#0246;flich? Was steckte dahinter?</p><p class="standard">Der Gemeindepr&#0228;sident ging hinaus, nachdem er Studer einen Stumpen angeboten hatte. Es war ein guter Zehner-Stumpen, aber er schmeckte wie verbrannter Kautschuk. Studer zog mit Todesverachtung.</p><p class="standard">Aeschbacher kam zur&#0252;ck. Er trug drei Flaschen: Kognak, Gin, Whisky. Hinter ihm kam seine Frau. Sie stellte ein Tablett auf den Tisch: Zucker, Zitronenscheiben, eine Kanne mit hei&#0223;em Wasser, zwei Gl&#0228;ser.</p><p class="standard">&#0187;Wir m&#0252;ssen unsern Wachtmeister kurieren&#0171;, sagte Aeschbacher und l&#0228;chelte mit gestr&#0228;ubtem Katerschnurrbart, &#0187;er hat sich erk&#0228;ltet. Und ein erk&#0228;lteter Fahnder kann nur schwer eine Verhaftung vornehmen; nicht wahr, Wachtmeister?&#0171;</p><p class="standard">Und Aeschbacher klopfte Studer aufs Knie. Studer wollte sich die Familiarit&#0228;ten verbitten, er sah auf &#8210; da traf ihn ein Blick des Gemeindepr&#0228;sidenten. Eine Bitte lag darin.</p><p class="standard">Studer verstand. Aeschbacher wu&#0223;te. Er bat f&#0252;r seine Frau. &#0187;Gut, meinetwegen&#0171;, dachte Studer. Und er lachte.</p><p class="standard">&#0187;Also, auf Wiedersehen, Herr Wachtmeister!&#0171; sagte Frau Aeschbacher. Sie hielt die Klinke in der Hand und l&#0228;chelte. Es war ein m&#0252;hsames L&#0228;cheln. Und Studer verstand pl&#0246;tzlich, da&#0223; die beiden da versuchten, sich Theater vorzuspielen. Beide wu&#0223;ten, was los war, aber sie wollten es einander nicht merken lassen.</p><p class="standard">Eine merkw&#0252;rdige Ehe, die Ehe des Gemeindepr&#0228;sidenten Aeschbacher...</p><p class="standard">Die T&#0252;re wurde leise geschlossen. Die beiden M&#0228;nner blieben allein.</p><p class="standard">Aeschbacher tat Zucker auf den Boden des einen Glases, f&#0252;llte es zur H&#0228;lfte mit hei&#0223;em Wasser, r&#0252;hrte um, dann go&#0223; er aus jeder der drei Flaschen ein ordentliches Quantum nach: Kognak, Gin, Whisky. Studer sah ihm mit weitaufgesperrten Augen zu.</p><p class="standard">Und als Aeschbacher ihm das Glas pr&#0228;sentierte, fragte er, ein wenig &#0228;ngstlich:</p><p class="standard">&#0187;Ist das f&#0252;r mich?&#0171;</p><p class="standard">&#0187;Ausgezeichnet, Wachtmeister&#0171;, pries der Pr&#0228;sident seine Mischung, &#0187;wenn ich erk&#0228;ltet bin, nehm&#8217; ich nichts anderes. Und wenn Ihr es nicht vertragen m&#0246;gt, so macht Euch meine Frau sp&#0228;ter einen Kaffee.&#0171;</p><p class="standard">&#0187;Auf Eure Verantwortung&#0171;, sagte Studer und trank das Glas in einem Zug leer. Dunkel f&#0252;hlte er, die Sache hier konnte man n&#0252;chtern zu keinem guten Ende bringen. &#0187;Aber Ihr m&#0252;&#0223;t mir&#8217;s nachmachen.&#0171;</p><p class="standard">&#0187;Sowieso&#0171;, sagte Aeschbacher und stellte dasselbe Gemisch noch einmal her.</p><p class="standard">Eine sanfte W&#0228;rme kroch &#0252;ber Studers K&#0246;rper. Langsam, ganz langsam hob sich der dunkle Vorhang. Es war vielleicht alles gar nicht so schrecklich, gar nicht so kompliziert, wie er es sich vorgestellt hatte. Aeschbacher sank in einen tiefen Lehnstuhl, nahm einen Stumpen, z&#0252;ndete ihn an, leerte sein Glas, s&#0228;gte &#0187;Ah&#0171;, schwieg einen Augenblick und fragte dann mit ganz unbeteiligter Stimme:</p><p class="standard">&#0187;Habt Ihr gestern abend in meiner Garage gefunden, was Ihr gesucht habt?&#0171;</p><p class="standard">Studer nahm einen Zug aus seinem Stumpen (er schmeckte pl&#0246;tzlich viel besser) und antwortete ruhig:</p><p class="standard">&#0187;Ja.&#0171;</p><p class="standard">&#0187;Was habt Ihr denn gefunden?&#0171;</p><p class="standard">&#0187;Staub.&#0171;</p><p class="standard">&#0187;Sonst nichts?&#0171;</p><p class="standard">&#0187;Das hat gen&#0252;gt.&#0171;</p><p class="standard">Pause. Aeschbacher schien nachzudenken. Dann sagte er:</p><p class="standard">&#0187;Staub? In der Landkartentasche?&#0171;</p><p class="standard">&#0187;Ja.&#0171;</p><p class="standard">&#0187;Schade ... Ihr h&#0228;ttet mein Angebot am Sonntag annehmen sollen. Und wenn Ihr wollt, leg ich noch etwas drauf, aus der eigenen Tasche. Sehr gescheit gewesen, in der Tasche nachzugr&#0252;beln. Es w&#0228;r keiner auf den Gedanken gekommen.&#0171;</p><p class="standard">&#0187;Angebot?&#0171; fragte Studer. &#0187;Was meint Ihr eigentlich damit, Aeschbacher?&#0171;</p><p class="standard">Dem andern gab es einen Ruck. Die Anrede &#8250;Aeschbacher&#8249; wahrscheinlich. Nicht mehr &#8250;Herr Gemeindepr&#0228;sident&#8249;, sondern &#8250;Aeschbacher&#8249; ... Wie man &#8250;Schlumpf&#8249; sagt.</p><p class="standard">&#0187;Die Stelle bei meinem Bekannten, mein ich, Studer.&#0171;</p><p class="standard">&#0187;Ah, ja, ich besinn mich ... Interessiert mich nicht, Aeschbacher, aber auch gar nicht. Und das Geld? Ihr habt mir Geld angeboten? Ich hab mir sagen lassen, Ihr steht vor dem Konkurs.&#0171;</p><p class="standard">&#0187;Haha&#0171;, lachte Aeschbacher; es klang wie ein Theaterlachen. &#0187;Das hab ich nur so erz&#0228;hlt, damit mich der Witschi in Ruhe l&#0228;&#0223;t. Ich hab ihm doch nicht all mein Geld in den Rachen schmei&#0223;en wollen, nur weil ich zuf&#0228;llig mit seiner Frau verwandt bin ...&#0171;</p><p class="standard">&#0187;So? Ihr habt dem Witschi Geld gegeben?&#0171;</p><p class="standard">&#0187;Wachtmeister&#0171;, sagte Aeschbacher &#0228;rgerlich. &#0187;Wir sind hier nicht am &#8250;zugeren&#8249;. Wir wollen mit offenen Karten spielen. Wenn Ihr etwas wissen wollt, so fragt, ich will Euch Antwort geben. Mir ist das Ganze schon lang verleidet ...&#0171;</p><p class="standard">&#0187;Gut&#0171;, sagte Studer. Und: &#0187;Wie Ihr wollt.&#0171;</p><p class="standard">Er lehnte sich zur&#0252;ck, kreuzte die Beine und wartete.</p><p class="standard">Und w&#0228;hrend des langen Schweigens, das nun &#0252;ber dem Raum lag, dachte er an viele Dinge. Aber sie wollten sich nicht ordnen: Gut, der Schuldige war gefunden; aber was n&#0252;tzte das? Niemals w&#0252;rde der Untersuchungsrichter sich dazu hergeben, den Aeschbacher zu verh&#0246;ren. Kein Staatsanwalt w&#0252;rde gegen den Gemeindepr&#0228;sidenten eine Anklage erheben. Erst wenn die Beweise so &#0252;berzeugend waren, da&#0223; es wirklich nichts anderes gab. Aeschbacher mu&#0223;te eine gro&#0223;e Rolle gespielt haben, fr&#0252;her einmal. Das ergab sich aus allen Erkundigungen, die Studer gestern nachmittag in Bern eingezogen hatte. Man konnte Skandale nicht brauchen. Und was hatte Studer f&#0252;r Beweise? Die Aussage des Cottereau? Mein Gott! Cottereau w&#0252;rde nie wagen, sie aufrechtzuerhalten. Die mikroskopische Untersuchung des Staubes? F&#0252;r ihn gen&#0252;gte es als Beweis. F&#0252;r ein Schwurgericht, ein Schwurgericht, an dem die Geschworenen Bauern waren? Auslachen w&#0252;rde man ihn! Schon der Untersuchungsrichter w&#0252;rde ihn auslachen.</p><p class="standard">Blieb noch &#0252;brig, die Sache auf sich beruhen zu lassen. Witschi hatte Selbstmord begangen, das w&#0252;rde zu beweisen sein, leicht zu beweisen sein, der Untersuchungsrichter war &#0252;berzeugt, Schlumpf kam frei &#8210; die Familie Witschi w&#0252;rde ihr Haus verkaufen m&#0252;ssen, die alte Frau w&#0252;rde weiter im Kiosk sitzen und Romane lesen, der Armin w&#0252;rde die Saaltochter heiraten und eine Wirtschaft kaufen, und Sonja? Sonja w&#0252;rde den Schlumpf heiraten, der Erwin w&#0252;rde mit der Zeit Oberg&#0228;rtner werden, und Aeschbacher? Mein Gott, er w&#0252;rde sicher nicht der einzige M&#0246;rder sein, der straflos in der Welt umherlaufen w&#0252;rde.</p><p class="standard">&#0187;Ihr habt ganz recht, Wachtmeister&#0171;, t&#0246;nte Aeschbachers Stimme in die Stille. &#0187;Es hat gar keinen Wert, die Sache weiter zu verfolgen. Ihr blamiert Euch nur. Habt Ihr Euch nicht schon einmal blamiert, damals, in jener Bankaff&#0228;re? Glaubet doch dem Polizeihauptmann, folget seinem Rat. Es ist besser, Studer, glaubet mir. Noch einen Grog?&#0171;</p><p class="standard">&#0187;Gern&#0171;, sagte Studer und versank wieder in Schweigen. War es nicht merkw&#0252;rdig, da&#0223; Aeschbacher Gedanken lesen konnte? Studer fr&#0246;stelte. Der stechende Punkt in der Brust war wieder da, kalter Schwei&#0223; brach aus. Drau&#0223;en vor den Fenstern hockte ein grauer Nebel, es war, als ob die Wolken auf die Erde gefallen w&#0228;ren. Und dann war es kalt im Zimmer. Studers Stumpen war ausgegangen, er hatte nicht den Mut, ihn wieder anzuz&#0252;nden; er hatte &#0252;berhaupt keinen Mut mehr, er war krank, er wollte ins Bett, er hatte eine Brustfellentz&#0252;ndung, Herrgott noch einmal! Und mit einer Brustfellentz&#0252;ndung geht man ins Bett und spielt nicht den scharfsinnigen englischen Detektiv mit deduktiven Methoden &#0224; la Sherlock Holmes. Staub in einer Tasche! Wenn schon! Wenn es so weiterging, w&#0252;rde er bald auf dem Boden herumkriechen mit einer Lupe in der Hand und den Teppich absuchen!</p><p class="standard">&#0187;Trinkt Studer&#0171;, sagte Aeschbacher und schob das frischgef&#0252;llte Glas &#0252;ber den Tisch. Und der Wachtmeister leerte es gehorsam.</p><p class="standard">Es war doch eine Schweinerei, tr&#0228;umte er weiter. Da hatte man ein Gehalt von ein paar hundert Franken im Monat, es langte wohl, es langte ganz gut. Und f&#0252;r das lumpige Gehalt war man verpflichtet, den Kanalr&#0228;umer zu spielen. &#0196;rger als das. Man mu&#0223;te schn&#0252;ffeln, anderer Leute Missetaten aufdecken, man mu&#0223;te sich &#0252;berall hineinmischen, keinen Augenblick hatte man Ruhe, nicht einmal pflegen konnte man sich, wenn man krank war.</p><p class="standard">Aeschbacher sog hocherfreut an seinem Stumpen. Seine kleinen &#0196;uglein gl&#0228;nzten boshaft, schadenfroh.</p><p class="standard">Und da tauchte in Studer pl&#0246;tzlich wieder der Traum jener Nacht auf. Der riesige Daumenabdruck auf der Tafel, der Lehrer Schwomm im wei&#0223;en Kittel und Aeschbacher, der den Arm um Sonja geschlungen hatte und ihn, Studer, auslachte.</p><p class="standard">Sp&#0228;ter h&#0228;tte Studer nie sagen k&#0246;nnen, ob es wirklich die Erinnerung an diesen Traum war<sub class="sub">;</sub> die ihm pl&#0246;tzlich neuen Mut gab. Oder ob ihm das h&#0246;hnische Grinsen Aeschbachers auf die Nerven fiel. Genug, er raffte sich auf, legte die Unterarme auf seine gespreizten Schenkel, faltete die H&#0228;nde und blickte zu Boden. Er sprach langsam, denn er f&#0252;hlte, da&#0223; seine Zunge gro&#0223;e Lust zeigte, eigene Wege zu gehen.</p><p class="standard">&#0187;Gut&#0171;, sagte er, &#0187;Ihr habt recht. Ich werde mich blamieren. Aber das steht nicht in Frage, Aeschbacher. Ich tue meine Arbeit, die Arbeit, f&#0252;r die ich bezahlt bin. Ich bin daf&#0252;r bezahlt, Untersuchungen zu f&#0252;hren. Man hat mich darauf vereidigt, da&#0223; ich die Wahrheit sage. Ich wei&#0223;, Ihr werdet lachen, Aeschbacher. Wahrheit! Ich bin auch nicht von heute. Ich wei&#0223; auch ganz genau, da&#0223; die Wahrheit, die ich finde, nicht die wirkliche Wahrheit ist. Aber ich kenne sehr gut die L&#0252;ge. Wenn ich die Sache aufgebe und der Schlumpf wird frei, und das Gericht legt den Fall zu den Akten, wie man sagt, dann ist alles ganz gut und sch&#0246;n. Und schlie&#0223;lich bin ich kein Richter und Ihr m&#0252;&#0223;t mit Eurer Tat allein fertigwerden.&#0171; Immer langsamer sprach Studer. Er sah nicht auf, er wollte den Blicken Aeschbachers nicht begegnen, verzweifelt starrte er auf ein kleines Muster im Teppich: ein schwarzes Rechteck, das von roten F&#0228;den durchzogen war und das ihn, wei&#0223; der Himmel warum, an Witschis Hinterkopf erinnerte. Genauer: an die sp&#0228;rlichen Haare, durch die sich Blutf&#0228;den zogen.</p><p class="standard">&#0187;Allein fertigwerden, das ist es. Und ich wei&#0223; nicht, ob Ihr das k&#0246;nnt. Ihr spielt gerne, Aeschbacher, spielt mit Menschen, spielt an der B&#0246;rse, spielt mit Politik. Ich habe manches &#0252;ber Euch geh&#0246;rt. Ich w&#0252;rd&#8217; Euch gern laufen lassen ... Aber da ist die Geschichte mit der Sonja. Lueget, Aeschbacher, die Sonja! Das Meitschi hat&#8217;s nicht sch&#0246;n gehabt. Ihr habt es einmal auf die Knie genommen, der Vater ist dann dazu gekommen ... Hat der Wendelin Witschi damals wirklich unrecht gehabt mit seiner Behauptung? Nein, schweigt jetzt. Ihr k&#0246;nnt nachher reden. Ihr m&#0252;&#0223;t nicht meinen, ich sei ein St&#0252;ndeler. Ich versteh auch Spa&#0223;, Aeschbacher; aber irgendwo mu&#0223; der Spa&#0223; aufh&#0246;ren. Ihr habt vieles auf dem Gewissen, nicht nur den Wendelin Witschi. Und ich m&#0246;cht nicht, da&#0223; Ihr auch die Sonja auf dem Gewissen habt. Versteht Ihr?&#0171;</p><p class="standard">Die Wolken drau&#0223;en sanken immer tiefer, es wurde d&#0252;ster im Zimmer. Aeschbacher sa&#0223; vergraben in seinem Stuhl, Studer konnte nur seine Knie sehen. Ein heiseres Kr&#0228;chzen war h&#0246;rbar, man wu&#0223;te nicht, war es ein R&#0228;uspern oder ein unterdr&#0252;cktes Lachen.</p><p class="standard">&#0187;Was er sonst noch von Euch gewu&#0223;t hat, der Wendelin Witschi, hab&#8217; ich nicht erfahren ...&#0171; Das Reden ging jetzt leichter. Aber immer noch sprach Studer langsam, und was das Merkw&#0252;rdigste war, es war wie eine Spaltung seiner Pers&#0246;nlichkeit: er sah das Zimmer von oben, sah sich selbst, nach vorne gebeugt, mit gefalteten H&#0228;nden, im Stuhle sitzen und dachte dabei: &#0187;Studer, du siehst sicher aus, wie ein Pfarrer, wenn er eine Kondolenzvisite macht.&#0171; Aber auch das verging wieder, und er sah pl&#0246;tzlich das Zimmer des Untersuchungsrichters und den Schlumpf, der seinen Kopf auf den Scho&#0223; des M&#0228;dchens gelegt hatte.</p><p class="standard">&#0187;Wenn&#8217;s darauf ankommt&#0171;, sagte Studer, &#0187;wird auch das noch zu ermitteln sein. Ich habe mir sagen lassen, da&#0223; Ihr mit M&#0252;ndelgeldern spekuliert habt, Aeschbacher; Ihr seid doch hier in der Vormundschaftsbeh&#0246;rde ... und da&#0223; Ihr das Geld wieder zur&#0252;ckgezahlt habt, aber, da&#0223; der Witschi davon gewu&#0223;t hat. Er ist doch mit Euch in der F&#0252;rsorgekommission gesessen? Oder? Ihr braucht nicht zu antworten. Ich erz&#0228;hl&#8217; Euch das nur, damit Ihr den Studer nicht f&#0252;r einen L&#0246;li haltet. Der Wachtmeister Studer wei&#0223; auch einiges...&#0171;</p><p class="standard">Schweigen. Studer stand auf, aber immer noch ohne auf Aeschbacher zu schauen, griff nach einer Flasche, schenkte sich ein, leerte das scharfe Zeug, setzte sich wieder und zog eine Brissago aus dem Etui. Merkw&#0252;rdig, aber sie schmeckte. Sein Herz machte zwar noch immer Seitenspr&#0252;nge &#8210;; aber, dachte er, heut&#8217; nachmittag werd&#8217; ich ins Spital fahren. Dort hat man Ruhe.</p><p class="standard">&#0187;Soll ich Euch erz&#0228;hlen, wie die ganze Geschichte gegangen ist, Aeschbacher? Ihr braucht gar nicht zu sprechen.</p><p class="standard">Ihr braucht weder ja noch nein zu sagen. Ich erz&#0228;hl&#8217; sie so mehr f&#0252;r mich.&#0171;</p><p class="standard">Und Studer faltete wieder die H&#0228;nde und starrte auf das Muster im Teppich, das ein schwarzes Rechteck darstellte mit roten F&#0228;den darin.</p><p class="standard">&#0187;Eure Base hat Euch erz&#0228;hlt, was der Witschi vorhatte. Von ihr habt Ihr auch erfahren, wann der Witschi seinen Plan ausf&#0252;hren wollte. Aber Ihr trautet dem Witschi nicht. Ihr wu&#0223;tet, da&#0223; er feig war &#8210; mein Gott, ein Erpresser ist immer feig &#8210; und Ihr dachtet, da&#0223; er es nicht einmal wagen w&#0252;rde, sich selbst zu verwunden. Darum seid Ihr mit Eurem Auto an jenen Platz gefahren. Und den Platz habt Ihr ja ganz genau gewu&#0223;t. Der Augsburger hat damals schon bei Euch gewohnt. Warum habt Ihr den Mann bei Euch aufgenommen? Waret Ihr etwa eifers&#0252;chtig auf den Ellenberger? Wolltet Ihr auch Euren entlassenen Str&#0228;fling haben? Nun, das ist ja gleich. Ihr seid also mit Eurem Auto zu jenem Platz gefahren und habt darauf gerechnet, da&#0223; der Armin sich verdr&#0252;cken w&#0252;rde, wenn er Euer Auto h&#0246;re. Das hat er gemacht. Dann habt Ihr sch&#0246;n Zeit gehabt, die Brieftasche des Witschi zu durchsuchen. Das Dokument, mit dem er Euch erpre&#0223;t hat, war wohl in der Brieftasche? Und dann seid Ihr weiter in den Wald gegangen. Dem Witschi konnte man leicht folgen, er hat wohl genug L&#0228;rm gemacht. Dann ist es still geworden, Ihr habt gewartet. Ihr habt einen Schu&#0223; geh&#0246;rt, seid n&#0228;her gekommen. Der Witschi ist dagestanden, den Browning noch in der Hand &#8210; unverletzt. Was Ihr dann mit ihm gesprochen habt, wei&#0223; ich nicht. Ich bin sicher, Ihr habt Eure Rolle gut gespielt. Arm um die Schultern gelegt, wahrscheinlich, ihn getr&#0246;stet, ihn ein wenig weitergef&#0252;hrt.</p><p class="standard">Und Eure Pistole habt Ihr wohl in der Tasche gehabt. Dann habt Ihr Euch von ihm verabschiedet, seid ein paar Schritte von ihm weg, einen Meter vielleicht, und habt ihn von hinten erschossen.&#0171;</p><p class="standard">Pause. Studer nahm noch einen Schluck. Merkw&#0252;rdig, da&#0223; er gar keine Betrunkenheit sp&#0252;rte, im Gegenteil, er wurde n&#0252;chterner, es schien ihm, als werde sein Kopf immer klarer, der unangenehme Stich war verschwunden. Er z&#0252;ndete umst&#0228;ndlich seine Brissago wieder an, die w&#0228;hrend des Redens ausgegangen war.</p><p class="standard">&#0187;Zwei Fehler, Aeschbacher, zwei gro&#0223;e Fehler!&#0171; sagte Studer, wie ein Lehrer, der einen begabten Sch&#0252;ler nicht tadeln, sondern im Gegenteil f&#0246;rdern will.</p><p class="standard">&#0187;Der erste: Warum nicht Witschis Revolver nehmen? Armin h&#0228;tte ihn gefunden; die ganze Geschichte h&#0228;tte reibungslos geklappt. Ich w&#0228;re h&#0246;chstens bis zum Selbstmord vorgedrungen, nie weiter. Und der zweite Fehler, aus dem alle &#0252;brigen sich dann ergeben haben: Warum den Browning in jener Automobiltasche lassen? Irgendwer hat ihn doch finden m&#0252;ssen. Und da&#0223; ihn gerade der Augsburger, der kleine Einbrecherdilettant, hat finden m&#0252;ssen, das war Pech ... Pech? Vielleicht habt Ihr das gerade gewollt?&#0171;</p><p class="standard">Studers Augen hatten sich endlich von dem schwarzen Muster losgerissen. Er starrte nun auf ein anderes, das wie ein Haus aussah, dachte an einen Spruch, der in blauer Farbe an eine Wand gemalt war, und die Farbe begann abzubr&#0246;ckeln: &#0187;Gr&#0252;&#0223; Gott, tritt ein, bring Gl&#0252;ck herein.&#0171;</p><p class="standard">&#0187;Es ist merkw&#0252;rdig mit uns Menschen&#0171;, fuhr Studer fort, &#0187;wir tun manchmal gerade das, was wir vermeiden m&#0246;chten, das, wovor unser Verstand uns warnt. Ein Bekannter von mir, der nun tot ist, sprach immer von Unterbewu&#0223;tsein. Als ob das Unterbewu&#0223;te einen eigenen Willen h&#0228;tte. Und bei Euch, Aeschbacher, mu&#0223; ich immer an so etwas denken. Denn Ihr habt doch alles getan, damit man auf Euch aufmerksam wird. Und das kann man nicht nur mit Eurer Spielleidenschaft erkl&#0228;ren, es steckt wohl etwas anderes dahinter. Im Grunde habt Ihr doch gewollt, da&#0223; der Mord auskommt. Sonst h&#0228;ttet Ihr doch nicht den Gerber und den Armin mit Eurem Auto ausgeschickt, um den Ellenberger und den alten Cottereau zu &#0252;berfahren. Wer hat Euch erz&#0228;hlt, da&#0223; der Cottereau Euch gesehen hatte? Der Augsburger?&#0171;</p><p class="standard">&#0187;Ich hab den Augsburger damals mitgenommen, wie ich den Witschi hab treffen wollen ...&#0171; Ganz ruhig kam die Stimme von dr&#0252;ben. Keine Aufregung brachte sie zum Zittern. Sie klang genau wie die Stimme des Ansagers, wenn er verk&#0252;ndete: &#0187;Die &#0220;berschwemmungen im unteren Rhonegebiet haben gro&#0223;e Ausma&#0223;e angenommen.&#0171;</p><p class="standard">&#0187;Und Ihr habt nicht Angst gehabt, da&#0223; er Euch verraten w&#0252;rde?&#0171;</p><p class="standard">&#0187;Er war ein treuer Bursch. Sp&#0228;ter h&#0228;tt ich ihn ins Ausland geschickt ...&#0171;</p><p class="standard">&#0187;Aber er wurde gesucht. Und der Autodiebstahl ...&#0171;</p><p class="standard">&#0187;Mein Gott&#0171;, sagte Aeschbacher, &#0187;solche Leute gehen nicht so sparsam mit den Jahren um, wie wir.&#0171;</p><p class="standard">Studer nickte. Das stimmte.</p><p class="standard">&#0187;Und&#0171;, fuhr Aeschbacher fort, &#0187;den beiden anderen Burschen hab&#8217; ich angegeben, ein Tschucker wolle sich in unsere Angelegenheiten mischen ... Sie haben viel Kriminalromane gelesen, die Burschen, sie haben es gerne gemacht. Sie wollten John Kling spielen.&#0171;</p><p class="standard">Einen Augenblick &#0252;bermannte den Wachtmeister schier der Stolz. Er hatte den Aeschbacher dazu gebracht, zu sprechen; er hatte ihn gezwungen, zuzugeben. Da blickte er zum erstenmal auf und der Stolz verging ihm Ihm gegen&#0252;ber, im tiefen Stuhl, sa&#0223; ein zusammengesunkener Mann, der schwer atmete. Das Gesicht war rot angelaufen, die H&#0228;nde zitterten, der Mund stand ein wenig offen. Aber nur einen Augenblick verblieb der Mann so. Dann schlo&#0223; sich der Mund, die Augen blickten wieder gerade vor sich hin, an Studer vorbei, zum Fenster hinaus.</p><p class="standard">&#0187;Die beiden Burschen&#0171;, sagte Studer, &#0187;haben den armen Cottereau ordentlich durchgepr&#0252;gelt. Er hat mir nichts sagen wollen. Und auch der alte Ellenberger wu&#0223;te von der Sache?&#0171;</p><p class="standard">&#0187;Vielleicht nachher. Der Cottereau hat auch zuerst gar nicht gewu&#0223;t, da&#0223; ich den Witschi erschossen habe. Ich habe nur vorbeugen wollen, er sollte es Euch nicht gleich erz&#0228;hlen, da&#0223; er mich dort gesehen hatte.&#0171;</p><p class="standard">&#0187;Wann hat er Euch erkannt?&#0171;</p><p class="standard">&#0187;Wie ich ins Auto gestiegen bin. Da hat ihn auch der Augsburger gesehen, den Cottereau n&#0228;mlich ...&#0171;</p><p class="standard">Jetzt eine Platte da haben! dachte Studer, und das Gespr&#0228;ch aufnehmen!</p><p class="standard">&#0187;Warum habt Ihr den Augsburger im gestohlenen Auto nach Thun geschickt, damit er sich verhaften lassen soll? Denn das habt Ihr doch gewollt?&#0171;</p><p class="standard">&#0187;Fragt nicht so dumm, Wachtmeister!&#0171; Es war der Gemeindepr&#0228;sident, der sprach. &#0187;Nat&#0252;rlich hab ich ihn geschickt. Zwei Gr&#0252;nde: Er h&#0228;tte von der Belohnung h&#0246;ren k&#0246;nnen, die Ihr habt ausschreiben lassen, und dann wollt ich Euch einen Strich durch die Rechnung machen. Wenn der Schlumpf gestand, so waret Ihr schachmatt, nid? Und Augsburger kannte den Schlumpf. Er sollte versuchen, mit ihm in Verbindung zu treten und ihm von Sonja ausrichten, es st&#0252;nde schlecht und er m&#0252;sse gestehen, sonst w&#0252;rden alle wegen Versicherungsbetruges verhaftet. Ich hab nat&#0252;rlich nicht erwartet, da&#0223; mir die Leute in Thun so entgegenkommen und den Augsburger mit dem Schlumpf in eine Zelle sperren. Wollt Ihr sonst noch etwas wissen? Der Augsburger hat schlecht geschwindelt, ich wei&#0223; es. Aber er hat keine gro&#0223;e Erfindungsgabe, darum hat er alles auf den Ellenberger gew&#0228;lzt.&#0171;</p><p class="standard">&#0187;Ja, der Ellenberger&#0171;, sagte Studer, ganz freundschaftlich, so, wie man sich an einen Kollegen um Auskunft wendet. &#0187;Was haltet Ihr vom Ellenberger?&#0171;</p><p class="standard">&#0187;Eh&#0171;, sagte Aeschbacher. &#0187;Ihr kennt doch diese Sorte Leute. Immer mu&#0223; etwas gehen, immer m&#0252;ssen sie eine Rolle spielen, weil sie im Innern hohl sind. Das schw&#0228;tzt, das macht sich interessant, das blagiert von marokkanischen Residenten, von Verm&#0246;gen, das gr&#0252;ndet den &#8250;Convict Band&#8249; &#8210; das einzige, was ich am Ellenberger sch&#0228;tze, ist, da&#0223; er den Schlumpf gerne gemocht hat.&#0171;</p><p class="standard">Schweigen. Es war fertig. Jetzt kam das Schwerste. Wie sollte man nun die Verhaftung vornehmen? Man war schwach auf den Beinen, man war krank. Der Aeschbacher war ein gro&#0223;er schwerer Mann, das Telephon, mit dessen Hilfe man vielleicht den Murmann h&#0228;tte herbeirufen k&#0246;nnen, stand in der andern Ecke, man hatte zwar einen Revolver in der Tasche, auch einen Verhaftbefehl hatte man. Aber &#8210;.</p><p class="standard">&#0187;Ihr studiert, Wachtmeister, wie Ihr es am besten machen k&#0246;nnt, um mich zu verhaften? Oder nicht?&#0171; sagte da Aeschbacher mit ruhiger Stimme. &#0187;Macht Euch keine Sorgen. Ich komm mit nach Thun. Aber wir fahren mit meinem Auto, und ich fahre. Habt Ihr soviel Kurasch?&#0171;</p><p class="standard">Aeschbacher hatte nicht nur Studers Gedanken erraten, er hatte auch des Wachtmeisters empfindliche Stelle getroffen.</p><p class="standard">&#0187;Angst? Ich?&#0171; fragte Studer beleidigt. &#0187;Fahren wir!&#0171;</p><p class="standard">&#0187;Ich... will... meiner... Frau noch Adieu sagen.&#0171; Die Worte kamen stockend. Studer nickte.</p><p class="standard">An der T&#0252;r sagte Aeschbacher noch:</p><p class="standard">&#0187;Bedient Euch, Wachtmeister...&#0171; und wies auf die Flaschen, die auf dem Tisch standen.</p><p class="standard">Studer bediente sich. Dann sank er in seinen Stuhl zur&#0252;ck und schlo&#0223; die Augen. Er war m&#0252;de, hundsm&#0252;de. Er war gar nicht mehr stolz. Er kam nicht recht nach. Warum hatte der Aeschbacher alles zugegeben? Hatte er gemerkt, da&#0223; Studer der Einzige war, der von der ganzen Sache wu&#0223;te? Bezog sich die Frage wegen der Angst auf diese Tatsache? Man w&#0252;rde sehen...</p><p class="standard">Eigentlich h&#0228;tte Studer noch ganz gerne einmal mit Frau Aeschbacher gesprochen. Was war das f&#0252;r eine Frau? Sie sprach so merkw&#0252;rdig. Eine Ausl&#0228;nderin? Wo hatte der grobe Aeschbacher diese feine Frau aufgetrieben ... Die las wohl keine Rom&#0228;nli in der Nacht, vielleicht spielte sie Klavier? Oder Geige? Das Kopfweh kam wieder. Aber nun war wohl bald alles zu Ende. Eigentlich h&#0228;tte man einen Gefreiten von Bern verlangen k&#0246;nnen, um den Aeschbacher einzuliefern ... Dann h&#0228;tte man gleich ins Bett kriechen k&#0246;nnen. War es nicht besser, man ging dann heim und legte sich dort ins Bett? Es pflegte nicht schlecht, &#8216;s Hedy. Warum wollte er partout ins Spital?</p><p class="standard">Da ging die T&#0252;re auf:</p><p class="standard">&#0187;Wei mer go?&#0171; fragte Aeschbacher, so ruhig, als ob es sich um eine Spazierfahrt handle.</p><p class="standard">Studer stand auf. Sein Mund war trocken. Er f&#0252;hlte eine merkw&#0252;rdige Leere im Magen und tr&#0246;stete sich, das k&#0228;me vom Fieber, vom Hunger, vom Trinken auf n&#0252;chternen Magen. Aber das Gef&#0252;hl wollte nicht vergehen.</p></div></div></div></body>
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